Wir, denen heut’ dein göttlich
Spiel erklungen,
Wir danken dir vereint aus
meinem Munde,
Wir danken dir aus tiefstem
Herzensgrunde,
Du großes Kind, das männer
selbst bezwungen.
Denn von des Alltags Staub
emporgerungen
Hat auch der Kleinste sich zu
dieser Stunde,
Du hattest selbst den
Seichtling heut’ im Bunde,
Das Schwerste, was dem
Künstler je gelungen.
Doch mich ergriff dein Lied
wie Himmelslabe,
Wie einen Älpler, dem in
fremden Landen
Vom Hochland singt ein Knab’
am Hirtenstabe.
Hab’ Dank für all, was meine
Sinn’ empfanden,
Du meines Geisteshochlands
Hirtenknabe,
Den höchsten Künstlerdank: Du
bist verstanden!
Dir ward die neidenswerteste
der Gaben
Vom Schicksal in der Wiege
schon gespendet:
Du wardst aus Himmels Räumen
uns gesendet,
Mit hehren Weisen jedes Herz
zu laben.
Nur Eines mangelt heute noch
dem Knaben,
Doch das den wahren Künstler
erst vollendet:
Im Reich des Denkens bist du
noch verblendet,
Nicht kannst du deine eig’ne
Welt noch haben.
Drum laß dies Buch aus reifern
Freundes Händen
Dir nach und nach das Licht
der seinen spenden,
Verweb’ es mit dem Zauber
deiner Lieder;
Und bracht’ es näher dich
dereinst dem Ziele,
Dann komm auf’s neu’ mit
deinem Saitenspiele
Und gib in Tönen mein Geschenk
mir wieder!
Als mich dein Bild zum
erstenmal entzückte,
Was war es, das mich mächtig
zu dir zwang?
Was war es, das bei deiner
Saiten Klang
Wie Grüße geist’ger Heimat
mich beglückte?
Und als zum Abschied ich die
Hand dir drückte,
Was war es, das urplötzlich
dich durchdrang?
Was wie du sagst, in Glückes
Überschwang
Dir wie ein Funke durch die
Glieder zückte?
War’s nichts als kurze,
flücht’ge Traumverblendung,
Die in dem Rausche zweier
Künstlerstunden
Uns allzu rasch, drum allzu
leicht verbunden?
War’s nicht die Ahnung
gleicher Priestersendung,
die wahlverwandte Geister hier
entzündet,
Und einen Bund fürs Leben uns
begründet?
Wenn angelockt von deines
Leibes Prangen
Ich allzu zärtlich, Freund,
mich dir erzeige,
Wenn ich mein Haupt zu deinem
Haupte neige,
Zu streiten selig deine
Sammetwangen,
Wenn ich mit Armen wonnig dich
umfangen
Und selbst im Kuß die süße Not
nicht schweige:
Dann auf, Geliebter! Rasch
ergreif’ die Geige,
Und spiel mir auf von
Liebeslust und –Bangen!
Beim ersten Vollklang deiner
Himmelslieder
Verstummt mit eins die Dirne
Sinnlichkeit
Und stöhnt gekettet mir zu
Füßen nieder,
Indes mein Geist, entrückt der
Zeitlichkeit,
Von dannen schwebt auf
strahlendem Gefieder
Zu Ätherhöhen reinster
Geistigkeit.
Oft frag’ ich mich: was ist zu
dir mein Lieben?
Ist’s nur ob deines Spiels die
Gunstbezeugung?
Antiker Freundschaft holde
Doppelneigung?
Ist’s wahre Lieb’, was mich zu
dir getrieben?
Sind’s Dichterphantasien, die
bald zerstieben?
Ist’s bloß der Seelen
himmlische Verzweigung?
sind’s Lüste, denen besser
wär’ Verschweigung?
So frag’ ich oft. Was ist zu
dir mein Lieben?
Ach, alles, nichts! Mein Drang
zu dir ist ethisch,
Rein Herzenstrieb, und
Schauens Wonn’ ästhetisch,
Und geistig, engelsrein, und
heischend physisch,
Und keusch, und taubenmild,
und wild ekstatisch,
Und Anbetung, und
Griechenliebe attisch,
Und Künstlerrausch, und
Aufschwung dionysisch!
Des Augenblicks vergess’ ich
nie im Leben,
Als, ledig halb von samtner
Kleider Zwang,
Der Liebling auf die schönen
Kniee sank,
Den schönern Geist zum Himmel
zu erheben.
ich stand, der Menschen
seligster, daneben,
Berauscht mein Wesen wie vom
Nektartrank,
Es faßte mich ein keuscher
Wonnedrang,
den nachzufühlen Künstlern nur
gegeben.
Zwei Menschenkinder beugten
hier das Knie:
Das eine, in der Unschuld
holdem Wähnen,
vor einem Gott der kind’schen
Phantasie,
Das andre, Nachgebor’ner der
Hellenen,
Vor dieser wunderbaren
Harmonie
Des Seelenschönen und des
Körperschönen.
Erörtr’ ich einsam, unter
seufzern, Qualen,
Wie fremd mein Nam’, wie
ungehört mein Singen,
Wie Seichtem, Krankem lohnt
Erfolg, Gelingen,
Doch Taubheit, Kälte, Spott
dem Idealen;
Und seh’ ich Vers um Vers mich
hart bezahlen
Mit Leiden, Kämpfen,
Kettenrütteln, Ringen,
Und Stunden, Tage, Jahre stets
mich zwingen
Ins Joch der Pflicht, der
falschen, kleinen, schalen;
Und fällst nur du mir ein,
geliebter Knabe,
Wie du an jenem Abend dich mir
zeigtest,
Als Paradiese du ins Herz mir
geigtest:
Dann sinkt mit eins mein
ganzes Leid zu Grabe,
Es schwelgt mein Sein in
solchem Geistesrausche,
Daß ich mein Los mit keines
Königs tausche!
Nie wird die Julinacht dem
Sinn entschwinden,
Als dort beim Grand Cafe ich
deiner harrte,
Ins Volksgewühl nach jedem
Antlitz starrte,
In trunkner Sehnsucht
heiligstem Empfinden.
Hier hofft’ ich, lechzt’ ich,
brannt’ ich, dich zu finden;
O, wie der Wunsch mich narrte
stets und narrte!
So schrie nicht Byron-Manfred
nach Astarte,
Doch sein’ und mein’
Beschwörung – war den Winden.
Auf den Boulevards indessen
wogten, wallten
Der Menschen Fluten, winkte
mir das Leben
Verführerisch in tausend
Lockgestalten.
Was galt mir ganz Paris!? Ich
hätt’s zur Stunde
Für ein paar Wort’ aus deinem
süßen Munde
Und deiner Geige einen Ton
gegeben.
Hier einst geschah das große
letzte Scheiden,
Hier halst’ ich, küßt’ ich
dich zum letztenmal,
hier schlürft’ ich deines
Auges letzten Strahl,
Durft’ noch zuletzt an deinem
Bild mich weiden.
Dann kam das lange,
unbarmherz’ge Meiden;
O, wie ertrug ich all die
Marterqual?
Wer einmal trank des Nektars
Goldpokal,
Trinkt Gift nach ihm und Galle
nur und Leiden.
O schwerster Abschied!
Qualvoll bitt’re Stunde!
Noch standen Arm in Arm wir
fest verkettet,
Noch hing mein Mund an deinem
süßen Munde.
Da, horch, ein Pfiff - ! Du
wünschst mir Glück zur Reise. –
Ich aber hätt’ am liebsten mir
gebettet
Dort vor den Schnellzug quer
übers Geleise.
Im Garten, wo vor ein’ger
Monde Frist
Die Weisen deiner Geige mir
erklangen,
Wo Göttertrieb’ mein ganzes
sein durchdrangen,
Die ewig nur der Künstler ganz
ermißt;
Im Garten, den mein Herz wohl
nie vergißt,
Steh’ ich wie einst, doch
Tränen auf den Wangen;
Nicht seh’ ich dich auf grünem
Podium prangen,
Das nun verschneit und öd und
traurig ist.
Jetzt fällt’s in dichten
weißen Flocken nieder,
Wüst liegt der Ort, er
Sehnsucht Zähen fließen,
Fern übers Weltmeer ist der
Freund gezogen.
Der Garten, der erblüht im
Frühling wieder!
Doch werd’ auch ihn ans herz
ich wieder schließen
Und schaukeln wie ein Schiff
auf seinen Wogen?
Auf hoher See an Bord zu
dieser Frist
Stehst du vielleicht und
spielst die süßen Weisen,
Jetzt hör’ im Geist ich jenen
wunderleisen,
Mir ewig teuren sang, dein
chanson trist’.
Man sitzt beim Mahl, man
lauscht, man trinkt und ißt,
Doch allenthalben hör’ ich
dich nur preisen;
Jetzt sagt vielleicht (mir
will’s das Blut vereisen!)
Ein Frauchen dir, wie schön
und hold du bist.
Und ich sitz’ hier, und
schreib’ auf dich Sonette,
und flecht’ aus Reimen mir die
Liebeskette
Von echter Qual, erdichtetem
Frohlocken,
Und gäb’ mein Dichten all und
reines Sinnen
Und leeres Träumen und
platonisch Minnen
Für einen Griff in deine süßen
Locken.
Du trägst ihn, Ozean! In eure
Huten
Leg’ ich dies Kleinod,
wildbewegte Wellen;
O laßt an Klippen nicht mein
Glück zerschellen,
O hegt ihn sanft, den Sanften,
Süßen, Guten!
Und wenn, wie mich der
sehnsucht Geistesruten,
Ihr peitscht die Schiffswand
und die Stürme schwellen,
Laßt euch sein Spiel die
finst’re Laun’ erhellen;
Wie Orpheus Tiere, bann’ er
Meeresfluten!
Schirm’, schütz, o halt’ ihn,
See, mit tausend Banden,
Und laß ihn nirgends, als am
Busen stranden
Dereinst des Freunds in bang
ersehnter Stunde,
Dem Busen, dir so gleich mit
seinen Stürmen,
Drin wogengleich sich
Leidenschaften türmen,
Doch der wie du viel Perlen
birgt am Grunde.
Den halben Erdball hast du
schon durchwallt,
Obgleich du kaum ein Jüngling
noch an Jahren,
Doch Menschen-Unwert hast du
voll erfahren,
Und fühllos nennst die Welt
du, seicht und kalt.
Mein Teurer, die Erkenntnis,
ob schon alt,
Muß stündlich jedem neu sich
offenbaren,
Dem hehrer Drang zum Schönen,
Großen, Wahren
Verstand und Herz durchflammt
mit Allgewalt.
Drum komm zu mir! Laß unser
Los uns teilen!
An deiner Seite laß beglückt
mich weilen,
Du, des mein Herz in hehrster
Inbrunst harret!
Den Augenblick, da ich dich
fasse, halte,
Muß schmelzen um uns her die
Welt, die kalte,
Und wär sie ganz in Nacht und
Eis erstarret.
Bei meinem Heil, ich will dich
nicht mehr sehn!
Vier Jahre schon sind seit der
Stund’ verflossen,
Als deines Anblicks ich
zuletzt genossen,
Dich geigend sah auf grünem
Podium stehn.
Wie leicht konnt’ deinen Reiz
die Zeit verwehn!
Vielleicht, daß du zum Mann
emporgeschossen!
Daß garst’ger Bart der Lipp
und Wang’ entsprossen!
Nein, nein, bei Gott! ich will
dich nie mehr sehn!
Ein Heil’genbild sollst du mir
sein und bleiben,
Wie, als du betend hinsankst
vor dein Bette
In jener Nacht, die Verse nie
beschreiben!
Ja, sollst mir sein, was
Beatrice Dante,
Petrarka die vergötterte Laurette
Und Shakespeare
jener „b o y“ der unbekannte.